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Autor: Kseniya Dziatlouskaya

14. November 2022

Stellungnahme der GEMINI zum Referentenentwurf eines Demokratiefördergesetzes (DFördG)

Die GEMINI begrüßt, dass das geplante DFördG die Grundlage schafft, im Rahmen der verfassungs- und bundeshaushaltsrechtlichen Vorgaben die Förderung zivilgesellschaftlicher Akteure und Maßnahmen in den Bereichen der Extremismusprävention, Vielfaltgestaltung, Demokratieförderung und politischer Bildung nachhaltig abzusichern und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern.

Wir sind überzeugt, dass ein DFördG das zivilgesellschaftliche Engagement für die Demokratie stärken wird und auch positive Auswirkungen auf demokratiefördernde Aktivitäten haben kann, die auf anderen rechtlichen Grundlagen wie beispielsweise dem SGB VIII und den Regeln des Kinder- und Jugendplans (KJP) basieren. Die genannten Ziele und Aufgaben des DFördG nehmen jedoch keinerlei Bezug zu den rechtlichen und fachlichen Fragestellungen, die sich aus einem Nebeneinander von Demokratiefördergesetz und KJP nach SGB VIII ergeben. Wir sind der Meinung, dass entsprechende Klärungen zum Verhältnis DFördG und SGB VIII in der Begründung des Gesetzes und den auf dem Gesetz basierenden Förderrichtlinien unerlässlich sind, um mögliche nachteilige Effekte des DFördG auf bestehende Förderprogramme zwingend auszuschließen.

Folgende Rahmenbedingungen müssen aus Sicht der GEMINI im vorliegenden Gesetzesentwurf und in den anschließend zu entwickelnden Förderrichtlinien umgesetzt sein, damit das DFördG positive Auswirkungen auf unterschiedliche Rechtsbereiche und Akteurskreise entfalten kann:

  • Die GEMINI begrüßt die explizite Nennung der politischen Bildung im vorliegenden Referentenentwurf neben den anderen Bereichen der Extremismusprävention, Vielfaltgestaltung und Demokratieförderung. Die politische Bildung weist jedoch zu allen anderen drei Bereichen und insbesondere zum Bereich der Demokratieförderung große fachliche Überschneidungen auf. Die unterschiedlichen auszuarbeitenden Förderrichtlinien müssen diese Gemeinsamkeiten herausarbeiten, aufeinander beziehen und produktiv bearbeiten. Eine statische Versäulung der
    Bereiche Extremismusprävention, Vielfaltgestaltung, Demokratieförderung und
    politische Bildung, wie sie zum Beispiel in der vorhergehenden Förderrichtlinie desBundesprogramms „Demokratie leben!“ (Förderperiode 2020-25) angelegt ist, sollte daher in künftigen Förderrichtlinien unbedingt vermieden werden.
  • Insbesondere eine künstlich herbeigeführte Trennung der BereicheDemokratieförderung und politische Bildung halten wir für kontraproduktiv, da sie potenziell einem verkürzten Verständnis politischer Bildung als reine gegenstandsbezogene Wissensvermittlung Vorschub leistet. Die GEMINI schließt sich in ihrem Verständnis politischer Bildung der Definition des 16. Kinder- und Jugendberichts an. Im Verständnis der politischen Bildung der GEMINI, das zusätzlichauf den Rahmenbedingungen des SGB VIII §11 basiert, sollte die Praxis politischer Bildung Demokratie als Bildungsgegenstand, Demokratie als Erfahrung und Demokratie als Bildungsstruktur in den Blick nehmen. Dies umfasst auch sozialräumliche Ansätze. Eine Trennung dieser gegenstands-, erfahrungs-, und strukturenbezogenen Ebenen halten wir für willkürlich und praxisfremd. Diesem professionellen Selbstverständnis folgend ist eine starre Trennung der unterschiedlichen Bereiche und insbesondere der politischen Bildung und Demokratieförderung auf Ebene der Förderrichtlinien nicht hilfreich, auch wenn es in der Praxis verschiedene Akzentuierungen und unterschiedlich ausgeprägte Fachdiskurse geben mag.

Bezüge zum Referentenentwurf des DFördG:

§1 + §2: Im vorliegenden Entwurf des Gesetzestextes wird an keiner Stelle auf die Menschenrechte Bezug genommen. Die im internationalen Menschenrechtsdiskurs entwickelte Argumentationsfigur des Rechts auf politische Teilhabe schafft gerade durch den Verweis auf individuelle Rechtsansprüche neue Perspektiven für eine subjektorientierte, diversitätssensible, diskriminierungskritische, inklusive politische Bildung. Daher sollte z.B. in §1 eingefügt werden: „... zur Erhaltung und Stärkung von Demokratie und Menschenrechten, ...“.
§2: Unter §2 sollten Gegenstände der Maßnahmen des Gesetzes und nicht die Art und Orte der Maßnahmen beschrieben werden. Die entsprechenden Maßnahmen zu allen in §2 genannten Gegenständen sollten auch in allen vier benannten Bereichen Extremismusprävention, Vielfaltgestaltung, Demokratieförderung und politische Bildung Anwendung finden können.

§2 (2): Folglich muss in §2.2 der Zusatz „durch Maßnahmen der politischen Bildung“ gestrichen werden, da hier die Art und nicht der Gegenstand der Maßnahmen benannt ist. Maßnahmen der politischen Bildung können zur Erreichung von allen acht in §2 genannten Punkten des Gesetzes beitragen und sind nicht allein auf die „Förderung des Verständnisses politischer Sachverhalte und die Stärkung zur Bereitschaft der politischen Mitarbeit“ beschränkt.

§4 (3): Die Förderrichtlinien sollten unter zivilgesellschaftlicher Beteiligung von Akteur*innen benachbarter Rechtsbereiche (SGB VII und KJP) und bestehender Förderprogramme (Bundeszentrale und Landeszentralen politischer Bildung) mit inhaltlichen Schnittstellen zum DFördG entwickelt werden. Die Förderrichtlinien sollten in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den jeweils zuständigen Bundesministerien kontinuierlich evaluiert, reflektiert und bei Bedarf überarbeitet werden. Diese zivilgesellschaftliche Beteiligung sollte keinen einmaligen, sondern einen kontinuierlichen Charakter haben und entsprechend im Gesetz festgeschrieben werden. Ein positives Beispiel sind die in den KJP-Richtlinien festgelegten partizipativen Arbeitsgruppen zur kontinuierlichen Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Weiterentwicklung der fachlichen Handlungsfelder und der Erörterung der Förderung und der Zuwendungsverfahren, wie sie in den KJP-Arbeitsgruppen realisiert sind.

Wir danken dem Bund für die Gelegenheit zur Stellungnahme. Wir sind mit unserer Expertise aus dem KJP und anderen Förderprogrammen jederzeit gerne für einen Austausch bereit und stehen auch beratend bei der Ausgestaltung der Förderrichtlinien zu Verfügung.
Die Gemeinsame Initiative der Träger Politischer Jugendbildung (GEMINI) ist eine Arbeitsgruppe im Bundesausschuss Politische Bildung (bap e.V.) und bildet ein starkes Netzwerk für die Politische Bildung mit über 1.750 Einrichtungen der außerschulischen Bildung.

Mitglieder der GEMINI:
Arbeitsgemeinschaft der Ost-West-Institute e.V.

Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke in der Bundesrepublik Deutschland e.V.

Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e.V.

Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben e.V.

Deutscher Bundesjugendring e.V.

Deutscher Volkshochschul-Verband e.V.

Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung

Verband der Bildungszentren im ländlichen Raum

Die Stellungnahme finden Sie hier zum Download.